Archive …wie eine Verlängerung der Erinnerung …

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Widerspruch und Perspektive

Die Bürgerrechtsliberalen melden sich. Die FDP hat sich zwar schon länger für ein Bleiberecht, aber gegen die geplanten Restriktionen eingesetzt. Aber wenn diese Kritik von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kommt, dann ist das schon noch einen Tick überzeugender. In einem Interview mt dem Deutschlandradio argumentiert sie, dass die Bedingung, einen Arbeitsplatz zu haben Nonsens ist, wenn es um eine echte Bleiberechtsregelung gehen soll. Das Interview kann noch angehört werden (mp3).

Bereits bei der Regelung für Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien habe sich gezeigt, dass geduldete Ausländer keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hätten. […] “Und wenn man das jetzt fortsetzt, dann will man eine kleine Bleiberechtsregelung. Deshalb muss eine Aufenthaltserlaubnis die Voraussetzung sein, um zu sagen, dass dann auch der volle Zugang zum Arbeitsmarkt da ist.” Wenn das Bleiberecht umgekehrt nicht zur Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt werde, drücke man sich vor einer echten Bleiberechtsregelung.

Gut gesprochen. Leutheusser-Schnarrenberger erwähnt auch einen andere Lehre aus der Altfallregelung von 1999. Damals wurde die Altfallregelung pro Bundesland verschieden ausgelegt. Sollte sie sich eigentllich als Stichtagsregelung auf Familien beziehen, tat sich Bayern mit einer besonderen Auslegung hervor, indem die Regelung nur auf Familien, die als Familien eingereist waren, angewandt wurde. Familien, deren Kinder hier geborene wurden, wurden nicht berücksichtigt.

Leutheusser-Schnarrenberger forderte zusätzlich eine bundeseinheitliche Regelung des Bleiberechts. Dafür seien notfalls auch bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften ausreichend: “Denn sonst wird der Wettbewerb derjenigen einsetzen, die die restriktivste Regelung haben.”

Einen pauschalen Ausschluß aller IrakerInnen lehnt sie ebenfalls ab.

Im Freitag 45 gibt es einen längeren Artikel, der den Kampf um ein Bleiberecht in den größeren Rahmen einbettet: “Wie integrationswillig ist Herr Beckstein?”.

Die seit Jahrzehnten praktizierte deutsche Ausländer- und Flüchtlingspolitik muss sich eine lange Liste von Fehlleistungen gegenüber Flüchtlingen vorhalten lassen: Unfaire Verfahren, Absenkung sozialer Leistungen, mangelnde gesundheitliche Versorgung, Residenzpflicht, Missachtung des Kindeswohls, eingeschränkter Ausbildungs- und Arbeitsmarktzugang, die Praxis der Kettenduldung, unwürdige Wohnverhältnisse in Gemeinschaftsunterkünften, die 2005 begonnenen Massenwiderufsverfahren bei anerkannten Flüchtlingen, das Auseinanderreißen von Familien (um “freiwillige Ausreisen” zu erzwingen), Abschiebungshaft und die gesamte Praxis der Abschiebungen. Die Liste könnte fortgeführt werden. Tausende von Einzelschicksalen führen den Beweis, dass die Leitgedanken der Politik hier stets von Abschreckung und Abwehr geprägt waren. Integration war gefordert – Desintegration wurde gefördert. Wie eindimensional erscheint demgegenüber eine offizielle Integrationspolitik, die sich auf den Erwerb von Deutschkenntnissen und das Absolvieren von lächerlichen Einwanderungstests reduziert.