Archive …wie eine Verlängerung der Erinnerung …

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SPD setzt sich durch.

Dieser Eintrag hieß heute vormittag noch “SPD läßt sich über den Tisch ziehen”. Das können wir nun so nicht mehr sagen, denn mitlerweile werden die Ergebnisse des Treffens der Spitzenpolitker heute präziser. In diesem Sinne kommt hier unsere Neubewertung der Ergebnisse.

Offensichtlich hat die SPD sehr geschickt verhandelt. Die vor allem von Arbeitsminister Müntefering vorgetragene Haltung, dass Arbeit keine Bedingung für ein Bleiberecht sein darf, sondern andersherum ein Bleiberecht für langjährig geduldete Menschen her muss, welches ein Arbeitsrecht einschließt, hat sich nun durchgesetzt.

Bei einem Spitzengespräch in Berlin zwischen Innenminister Wolfgang Schäuble, Arbeitsminister Franz Müntefering und den Bundestagsinnenpolitiker Wolfgang Bosbach und Fritz Rudolf Körpe wurde sich anscheinend auf die Eckpunkte einer Bleiberechtsregelung weitgehend auf ein Bleiberecht geeinigt.

Zur Erinnerung. Am Sonntag sagte Müntefering im Bericht aus Berlin (ARD-Video):

Meine Meinung ist, dass diejenigen, die lange als Geduldete hier im Lande sind, eine Aufenthaltserlaubnis brauchen, eine bedingungslose, und damit dann auch voll am Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig sind, nicht nachrangig mehr, sondern sich bewerben können, und auch am Arbeitsmarkt tätig sein können. Ich bin auch bereit, für die Aufenthaltsjahre 5 bis 6 eine solche unbegrenzte Arbeitserlaubnis den Geduldeten zu geben.[…] Es ist peinlich für uns als Gesellschaft dass wir Kinder, dass wir Menschen hier haben, 6 Jahre 10 Jahre, und sie dann versuchen abzuschieben. Da muss etwas verändert werden und ich bin dazu bereit, vernünftige Dinge zu tun, aber ich bin nicht bereit, dass zu machen, was einige Innenminister der Länder wollen, nämlich die Arbeit als die Bedingung zu sehen für das Aufenthaltsrecht hier bei uns, sondern das muss nach einer bestimmten Zeit von 6 oder 8 Jahren automatisch kommen.

Genauso legte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk nach:

Das Klarste wäre eigentlich zu sagen, wenn jemand fünf, sechs Jahre hier ist, in Deutschland ist, dann sollte er ein Bleiberecht bekommen und mit dem Bleiberecht ist dann auch der Arbeitsmarktzugang verbunden. Das wäre eigentlich die sauberste, klarste Regelung. Ob man die durchsetzen kann, wird man im Laufe der kommenden Tage sehen. Der gute Wille jedenfalls, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, ist erkennbar auf allen Seiten vorhanden.
[…]
Wir müssen uns einfach mit den Realitäten auseinandersetzen und die Realität bedeutet, dass dieser Personenkreis gar nicht so einfach Arbeit bekommen kann und es ihnen ja auch erschwert worden ist in der Vergangenheit.

Wichtigstes Ergebnis ist, dass nun nicht mehr die Innenministerkonferenz über eine Bleiberechtsregelung entscheiden wird, sondern die große Koalition ein Gesetz verabschieden wird.

Grundsätzlich strebe die Große Koalition ein Gesamtpaket an, das neben dem Bleiberecht auch die Bereiche Zuwanderung, Integration und Gefahrenabwehr umfasse.

Damit sind nun nicht mehr nur die Innenpolitiker beteiligt, sondern auch Familien-, Jugend- und Sozialpolitiker und es ist sehr zu hoffen, dass es eine Regelung geben wird, die humanitärer ausfallen wird. Wir werden uns auf jeden Fall weiter dafür einsetzen. Es wird weiterhin eine Stichtagsregelung geben, im Rahmen, den die Innenminister gesteckt haben: Kriterium wird weiterhin ein Aufenthalt von 8 und 6 Jahren in Deutschland sein. Bei der Hauptbedingung Arbeit hat sich jedoch einiges geändert. Arbeit bleibt zwar weiterhin Bedingung. Für diejenigen, die alle anderen Kriterien erfüllen, aber keine Arbeit haben, soll es eine 2jährige Übergangsperiode mit gleichberechtigtem Zugang zum Arbeitsmarkt geben, während der aber alle angebotenen Arbeiten angenommen werden müssen. Der große Unterschied ist jedoch, dass in dieser Übergangsperiode eine Aufenthaltserlaubnis und keine “Duldung de luxe” vergeben wird. An diesem zentralen Punkt hat sich die SPD durchgesetzt.

Wir sehen jedoch noch zwei Probleme. Erstens ist eine Stichtagsregelung nicht geeignet, die Problematik der Kettenduldungen zu beenden. Hier muss eine permanente Regelung her, die die Duldung nach einer gewissen Zeit auslaufen lässt und sie in ein ordentliches Aufenthaltsrecht überführt. Und zweitens wird es einige Monate dauern, bis eine solche Gesetzesinitiative beschlossen ist. Für diese Zeit muss ein Abschiebestopp her.

Beckstein konnte sich übrigens auch mit seiner pauschalen Verurteilung aller IrakerInnen nicht durchsetzen. Anstelle dessen kommt nun, dass das Sicherheitsinteresse Deutschlands im Zweifel Vorrang vor den Bleiberechtsinteressen der Betroffenen haben soll, also ein Bleiberecht bei Sicherheitsbedenken verwehrt werden kann.

Überhaupt scheint Beckstein sehr brüskiert zu sein. Aus Bayern kommen wieder Querschüsse:

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein lehnt ein weitgehendes Bleiberecht der in Deutschland geduldeten Ausländer nach wie vor ab. Zwei Tage vor Beginn der Innenministerkonferenz in Nürnberg nannte es der CSU-Politiker am Dienstag im ARD-Morgenmagazin ein «Grundelement des Staates», sich nicht mit Illegalität abzufinden. Als Voraussetzung für einen Kompromiss mit den SPD-Ressortchefs in dieser Frage nannte Beckstein, dass die Betroffenen nicht den Sozialkassen zur Last fielen. Er bekräftigte daher die Forderung der Union nach einer Arbeitserlaubnis als Voraussetzung für Aufenthaltsgenehmigungen.

Indem er die Menschen ins Gespräch bringt, die illegalisiert in Deutschland leben, macht er eine neue Debatte auf. Diese war bis jetzt jedoch nicht auf dem Tisch, und es scheint, Beckstein muss sich wieder mit Hardlinerpositionen profilieren. Er bringt auch wieder seinen unsinnigen Führerscheinvergleich. Offensichtlich kann sich Beckstein nicht damit abfinden, dass die Einigung nicht in seinem Sinne ausfiel. Er wird wohl auch weiterhin versuchen, diese Vorschläge zu torpedieren. Aber erstmal läuft es anders. Kein guter Tag für Beckstein.