Am Freitag hat sich also die Innenministerkonferenz auf ein Bleiberecht geeinigt. Zu einer Bewertung kommen wir gleich noch, hier erstmal die Ergebnisse. Es ist relativ genauso gekommen, wie es sich vor 10 Tagen abgezeichnet hat. Hier der Beschluss. Voraussetzungen für ein Bleiberecht sind:
Ausschlußkriterien sind
Die Vorstrafe eines Mitglieds haben Auswirkungen auf das Bleiberecht der gesamten Familie (Sippenhaft). Die Trennung von Kindern und Eltern kann erwogen werden.
Besondere Ausnahmen gibt es für
Es gibt eine Übergangsfrist bis 30.9.2007, innerhalb derer die Bedinungungen erfüllt werden müssen. Für diese Zeit ist die Vorrangprüfung ausgesetzt. Das ist natürlich nur eine grobe Zusammenfassung. Genaueres sagt das Dokument der Innenministerkonferenz, und engültige Klarheit gibt es erst, wenn die Bundesländer ihre jeweiligen Durchführungsbestimmungen erlassen haben. Das ist heute noch nicht der Fall, Beckstein hat sich also ein bisschen zu weit aus dem Fenster gelehnt mit seiner Aussage, ab Montag gäbe es Aufenthaltserlaubnisse. Das Bleiberechtsbüro plant, eine Broschüre herauszugeben, in der das Bleiberecht nocheinmal genauer erläutert wird.
An diesem Beschluß ist soviel falsch und ungerecht, da können wir gar nicht drauf eingehen. Allgemein wird davon ausgegangen, dass nur wenige Tausend Menschen in den Genuss dieser Regelung kommen. Nach einem ersten Streit, wie die Regelung zu lesen sei, bricht nun der offene Streit zwischen SPD und CDU/CSU aus. Eine aktuelle Sammlung von Artikeln findet sich übrigens bei deutschland-lagerland.de.
Währenddessen ist die Kritik an der Bleiberechtsregelung ziemlich laut und kräftig. Außerhalb der Union denkt eigentlich niemand, dass mit der Regelung der Innenministerkonferenz eine gute Lösung gefunden worden ist. Der eigentliche politische Verlierer ist wohl Wolfgang Schäuble, der sich wiedereinmal von Beckstein hat vorführen lassen. Er hat einfach die miese Regelung der Innenminister geschluckt und lobt die tolle Zusammenarbeit mit den Länderkollegen. Die SZ bringt es am Samstag auf den Punkt: Niederlage für Schäuble.
Unsere Kritik haben wir in einer Pressemitteilung geäußert:
Die Stichtagsregelung, die Koppelung des Bleiberechts an eine Arbeit und die Vielzahl der Ausschlussgründe wird dafür sorgen, dass nur ein geringer Teil der 180 000 Geduldeten eine Aufenthaltserlaubnis bekommen wird. “Wir sind enttäuscht, dass die Innenminister nicht mehr Mut zur Realität bewiesen haben. Es geht um lediglich 180 000 Menschen, die ein normales Leben führen wollen. Ein selbstbestimmtes Leben mit einer eigenen Wohnung statt Lagerzimmern, einer Arbeit statt Sozialleistungen (so sie arbeitsfähig sind), einem Recht auf Ausbildung und Studium statt staatlich verordneter Untätigkeit und einer Zukunftsperspektive für sich und ihre Angehörigen. Aber die Engstirnigkeit der Herren Beckstein und Schünemann hat sich leider durchgesetzt“.
Wir fordern die Bundesregierung auf, mit der zugesagten gesetzlichen Regelung die menschenunwürdige Situation der Kettenduldungen zu beenden. Die Duldung darf wie ursprünglich vorgesehen nur noch vorübergehend ausgestellt werden, nach unserer Meinung für maximal 2 Jahre. Unbegleitete minderjährige und traumatisierte Flüchtlinge, sowie Opfer von rassistischen Übergriffen müssen sofort eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Unerlässlich ist zudem ein sofortiger Abschiebestopp für alle geduldeten Flüchtlinge, die unter die geplante gesetzliche Regelung fallen könnten. Es darf nicht zu Lasten der Geduldeten gehen, dass die Innenminister sich weigern, den Kompromissvorschlag der Bundesregierung zu akzeptieren.
Auch UNHCR sieht die Regelung nur als einen ersten Schritt. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, sagte auf der Landessynode in Berlin, die Hoffnung habe auf eine humane Lösung im Interesse der Betroffenen habe sich nicht bestätigt. Die Synode erklärte,die Einzelheiten des Beschlusses ließen befürchten, dass für die große Mehrheit der Betroffenen der Ausreise- und Abschiebungsdruck erhöht werden solle.
Ebenso vernichtende kommt von Heribert Prantl, Leiter des Innenressorts bei der SZ. In einem Radiokommentar im Deutschlandradio (mp3) sagt er sehr klar, dass von dem Beschluss der Innenminister rein gar nichts zu halten ist. Wir dokumentieren hier nur mal die Schmankerl, der Kommentar ist ein must-listen!
Der Durchbruch, von dem nun die Rede ist, ist kein Durchbruch, sondern ein kaschiertes Scheitern der von der großen Koalition geplanten Bleiberechtsregelung. Die Vereinbarungen der Innenminister laufen auf den Satz hinaus: “Es darf sich integrieren, wer schon integriert ist”.
[…]
Der jetzige, angebliche Kompromiss findet nur auf ein paar Tausend Menschen Anwendung. Für die anderen gilt weiterhin das bisherige Recht, ein Recht das Unglück schafft, ein Recht, dass Menschen verzweifeln lässt. Es ist ein Strafrecht für Menschen, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen als dies: Sie sind vor vielen Jahren als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Sie leben hier, sie haben Kinder, sie wollen sich integrieren, aber man lässt sie nicht. Man lässt sie auch nicht arbeiten, hält ihnen aber dann vor, dass sie dem Staat auf der Tasche liegen. Diesem Recht kann es kein Ausländer recht machen, es ist die legalisierte Perfidie.
[…]
Recht ist nicht dafür da, Probleme zu schaffen sondern Probleme zu lösen, so gut es geht. Die Innenministerkonferenz tat nichts dergleichen. Die Länderinnenminister der CDU/CSU verhalten sich gegenüber der Politik der Großen Koalition (…) wie eine Handvoll Warlords. Sie kümmern sich nicht darum, was der innere Frieden erfordert.
[…]
Die Ausländerpolitik ist leider nach wie vor der Raum für die dümmsten Sprüche in der deutschen Politik.
Auch sehr aufschlußreich ist der Kommentar von Axel Graser in der ARD: Einstimmig gescheitert:
Die Länderinnenminister haben ihre Chance vertan. Das Thema muss der Bundesgesetzgeber in die Hand nehmen. Da gehören neue Bleiberechtsregeln auch tatsächlich hin: ins Parlament. Und was der Bundestag dann verabschiedet, das können die Länder gerne im Bundesrat dann noch mal diskutieren. Aber die Innenministerkonferenz, sie sollte sich besser raushalten. Als Kompetenzgremium hat sie sich nicht erwiesen.
Genau in diese Richtung werden wir gehen. Die Betonkopfpolitiker in der IMK sind aus dem Rennen. Jetzt muss eine Regelung aus dem Bundestag her, wo endlich auch mal Sozial- und FamilienpolitikerInnen was zu sagen haben.