Archive …wie eine Verlängerung der Erinnerung …

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Schäuble zum Ehegattennachzug

Wir hatten ja schon geschrieben, für wie falsch wir die neue Regelung zum Ehegattennachzug finden. Jetzt hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble noch mal nachgelegt und erzählt, wieso er den Vorschlag richtig findet, dass nachziehende PartnerInnen Deutschkenntnisse vorweisen müssen. Es läuft darauf hinaus, dass mal wieder MigrantInnen ihre mangelnde Integration vorgeworfen wird, EhepartnerInnen aus Deutschland DVD-Player verschicken sollen und dass die Frage der Gleichberechtigung von Frauen vorgeschoben wird. Zu letztem Punkt sei allerdings auch gleich klar gesagt: Wir halten die Gleichberechtigung von Frauen, auch aus patriarchaler geprägen Gesellschaften, für einen wichtigen Punkt. Nur lässt sich dieses Problem nicht mit dem AusländerInnengesetz lösen. Den damit sind auch Frauen aus Ländern betroffen, in denen es wesentlich gleichberechtigter läuft. Das gerade in Deutschland selbst noch großer Nachholbedarf bei der Gleichberechtigung ist, hat ja ein EU-weiter Vergleich vor kurzem belegt. Dieser Artikel bei Spiegel Online fasst das Ergebnis zusammen:

Ergebnisse wie in den fünfziger Jahren: In Deutschland haben es Frauen im Berufsleben so schwer wie in kaum einem anderen EU-Land. Sie verdienen ein Fünftel weniger als Männer, arbeiten extrem oft in Teilzeit, machen selten Karriere.

Aber nun zu Schäubles Äußerungen im Deutschlandfunk:

Geuther: Das Ausländerrecht soll zum Teil im Sinne der Union auch wesentlich verschärft werden. Da geht es um Familiennachzug, um Altersgrenzen, Deutschkenntnisse und anderes. Im Vergleich zum Streit ums Bleiberecht, geht das alles recht lautlos vor sich und hat es im Vergleich zum Bleiberecht nicht eigentlich ein sehr viel größeres Gewicht?

Schäuble: Doch. Deswegen ist es ja auch gut, dass wir das Paket insgesamt zustande bringen. Wir haben jetzt die politische Einigung. Und wir werden jetzt auch bald den Gesetzentwurf im Kabinett verabschieden. Und dann hoffe ich, dass auch die Beratung im Bundestag zügig vorankommt. Das ist ein wichtiges Paket. Man muss einfach sehen, Kinder von Eltern insbesondere türkischer Abstammung, um das Beispiel zu nehmen, die hier geboren sind und aufwachsen, die heiraten in einer Größenordnung von bis zu 50 Prozent Ehepartner, die nicht hier aufgewachsen sind.

Es ist für jeden jungen Mann, und jeden älteren Mann auch und für jede junge oder ältere Frau völlig selbstverständlich ihr eigenes Recht, zu heiraten, wen immer sie will, aus welchem Kontinent auch immer. Aber wenn in einer so bemerkenswerten Größenordnung nicht Ehepartner, die hier auch aufgewachsen sind – es können ja auch Kinder mit Migrationshintergrund sein – sondern aus dem Heimatland der Eltern oder Großeltern, dann spricht eine Vermutung dafür, die wird auch nicht wirklich von den Vertretern der Verbände widerlegt, dass diese Art von Ehegattenwahl und dieser Teil von Familiennachzug in Wahrheit ein Integrationshindernis ist.

Denn dahinter steckt natürlich die Gefahr – und das ist ja das Problem, wir haben größere Integrationsdefizite bei den Migranten der zweiten und dritten Generation als in der ersten Generation. Und wenn wir das beheben wollen, wenn wir die Integrationsdefizite abbauen wollen, müssen wir darauf achten, dass der Ehegattennachzug nicht zum Integrationshindernis in der Praxis wird. Darum geht es, und deswegen das Mindestmaß an Sprachkenntnissen.

Das ist auch deswegen richtig, weil die Chancen insbesondere von Frauen, insbesondere von Frauen, die aus Anatolien hier her kommen durch den Ehegattennachzug, hier sich zu integrieren und damit die Chance für die Kinder, die sie vielleicht in der Zukunft bekommen, viel schlechter sind, wenn sie überhaupt kein Deutsch können. Wenn sie schon ein Mindestmaß an Deutschkenntnissen haben, bevor sie hier her kommen, ist die Chance, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau, wie sie in Deutschland selbstverständlich ist, auch gelebt wird viel größer als ohne solches Mindestmaß an Deutschkenntnissen.

Geuther: Werden im jeweiligen Land die Voraussetzungen existieren, dort Deutsch zu lernen?

Schäuble: Das kann man heute vielfältig machen. Wenn Sie einen jungen Mann kennen würden, den sie gerne heiraten würden, oder ich eine junge Frau, ich würde ihr schon vorher vermitteln wollen, dass sie ein bisschen Deutsch kann. Ich würde erstens versuchen, das in unserer Beziehung schon ein bisschen zu machen. Zweitens gibt es da audiovisuelle didaktische Mittel und dergleichen mehr. Das Mindestmaß an Sprachkenntnissen kann man, wenn man denn wirklich einen Menschen, der in Deutschland lebt, heiraten will und nach Deutschland kommen will, kann man in jedem Teil der Welt heute relativ leicht lernen.

Wir wagen das zu bezweifeln. Heiraten funktioniert dann so: Ins Land fahren, wo der/die PartnerIn wohnt, nicht vergessen, Fernseher, DVD-Player und Langenscheidts DVD Kurs “Deutsch für Anfänger” einzupacken, heiraten, dem/der PartnerIn auftragen, ja jeden Tag vor der Glotze zu hängen und die Sätze nachzusprechen, die von der DVD kommen. Und wenn das geklappt hat, dann geht’s ab nach Deutschland.

Wenigstens ist das nicht so absurd wie die Begründung aus den Niederlanden, die die gleiche Regelung schon vor einiger Zeit eingeführt haben. Dort hieß es nämlich, dass schon so viele Leute aus den Niederlanden abgeschoben worden sind, dass es eigentlich auf der ganzen Welt genügend Leute geben müsste, die Niederländischkurse anbieten können. Rhetorikwettbewerb der Zyniker.