Spiegel Online hat einen sehr auschlussreichen Artikel zum Bleiberecht veröffentlicht: Aktion Barmherzigkeit vor dem Aus. Abgesehen, dass er grundsätzlich lesenwert und informativ ist, zeigt er auch einige sehr schlechte Entwicklungen in der derzeitigen Diskussion um das Bleiberecht auf.
Zum einen sind da die Ausschlußkriterien. Zum einen sollen nun Familien mit Kleinkindern als Alleinstehende gelten. “Hartnäckiges Täuschen der Behörden” oder “mangelnde Mitwirkung bei der Passbeschaffung” sollen Geduldete von einem Bleiberecht ausschließen. Wir haben ja schon länger gesagt, dass viele Geduldete nur aus genau diesen Gründen überhaupt noch nicht abgeschoben worden sind. Nun schreibt auch der Spiegel:
Glaubt man einem Prüfbericht des Bundesinnenministeriums zum Zuwanderungsrecht, trifft das nicht nur auf wenige zu, sondern auf einen Großteil der Geduldeten.
Die Erteilung des Bleiberechts soll auch bemerkenswert unbarmherzig gehandhabt werden:
Deshalb wollen die Innenminister für die Arbeitssuche einfach nur die Duldung bis zum 30. September 2007 verlängern. Wer dann nichts hat, muss gehen. Rechtsweg ausgeschlossen.
Natürlich ist den Innenpolitikern auch bewußt, dass Geduldete wegen dem nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt wohl kaum eine Chance haben werden, Arbeit zu finden. Nun hat anscheinend Bundesinnenminister Schäuble einen Brief an Bundesarbeitsminister Müntefering geschrieben, in dem er sogar das Arbeitsrecht generell ausweiten will:
Nicht nur den Bleiberechts-Kandidaten solle der “liebe Franz” das Tor zur Arbeitswelt weit aufsperren. Schäuble will vielmehr “allen Geduldeten, Asylbewerbern in laufenden Verfahren und Bürgerkriegsflüchtlingen (…) den Arbeitsmarkt ohne Vorrangprüfung eröffnen.” Wer will, soll also auch arbeiten dürfen. Egal, wie lange er schon hier ist.
Alle, die nicht arbeiten, sollen dann aber weiterhin, und für immer, mit dem reduziertem Sozalhilfesatz leben müssen. Schäuble preist diese soziale Härte unverschämterweise als “wirksame Prävention gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus an”.
Müntefering stellt sich da allerdings komplett quer. wie schon öfter geschrieben will er keine gestiegenen Arbeitslosenzahlen. Da schlägt Schäuble vor: “In der Arbeitslosenstatistik könnte man die Betroffenen gegebenenfalls gesondert ausweisen.” Weiter wollen die Arbeitsmarktpolitiker einen Niedriglohnsektor verhindern, der jedoch faktisch wegen der Nachrangigkeit schon existiert. Weiter führt Müntefering an, man könne Flüchtlinge nicht besser stellen als Arbeiter aus EU-Ländern.
Desweiteren schlug Schäuble vor, dass ein Ausländer mit Bleiberecht drei Jahre Zeit haben soll, Arbeit zu finden, inklusive Bezug von Hartz IV in der Zeit davor. Das passt Franz Müntefering überhaupt nicht.
Dazu sagt ein “hochrangiges Fraktionsmitglied” der SPD:
“Ich verstehe nicht, warum der Franz nur so vernagelt ist”. Endlich habe man die Union soweit, dass sie einem Bleiberecht zustimme, und jetzt stelle sich ausgerechnet der eigene Parteifreund quer.
Auf jeden Fall steht zu befürchten, dass die gesamte Bleiberechtsregelung scheitert. Auf jeden Fall ist aber nicht viel zu erwarten. Beckstein erwartet anscheinend maximal 20 – 30 000 Betroffene einer solchen Regelung, aber selbst dies scheint zu hoch gegriffen.
Wir müssen uns überlegen, wie wir weitermachen. Von dieser Bleiberechtsregelung ist nichts zu erwarten, allerdings wird das Fass “Bleiberecht” danach auf Jahre erstmal wieder zu sein. Wahrscheinlich müssen wir das Thema einfach größer angehen, die ganzen Illegalisierten, über die niemand spricht, mit in die Kampagne einbeziehen und Grund- und soziale Rechte für alle in Deutschland lebenden, ob mit prekärem oder gar keinem Aufenthaltsstatus einfordern. In anderen Ländern haben solche Kampagnen ja auch was gebracht, auch wenn da erstmal Kirchen besetzt werden mussten.