Überwachen und bestrafen
Fest steht, dass Menschen ohne Aufenthaltstatus – in den Augen des Gesetzgebers – eine Straftat begehen, nämlich „illegal aufhältig“ zu sein, womöglich noch „illegal“ zu arbeiten und somit auch bestraft werden müssen. Ein Anruf beim Freiburger Regierungspräsidium bei dem unsererseits versucht wurde, ausfindig zu machen, wie die Situation von Herrn Cengiz Killic sei und ob Aussicht bestände, dass eine Abschiebung in die Türkei verhindert werden könne, wurde uns vom auf die Abschiebung maßgeblichen Einfluss habenden Sachbearbeiter, Herrn Heine ((0761) 40101142, referat16@rpf.bwl.de) wie folgt beantwortet. „Der Herr Killic war illegal, der hat nicht nur illegal in Deutschland gelebt, der hat auch illegal in Deutschland gearbeitet.“ Der Fall des Kurden Cengiz Killic, der nach zermürbendem Aufenthalt im Abschiebegefängnis in München auf einen Asylfolgeantrag und die Einreichung einer Petition beim Landtag verzichtete – trotz sieben jährigem Aufenthalt ohne Papiere – und daraufhin in die Türkei abgeschoben wurde ist ausführlich im Internet dokumentiert. (http://de.indymedia.org/2007/12/202535.shtml)
Seit der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl 1993 gibt es in Deutschland Abschiebegefängnisse. Alleine in Baden-Württemberg befinden sich drei dieser Abschiebegefängnisse.
„Einer dieser Knäste steht in Rottenburg am Neckar. Innerhalb der dortigen JVA entstand im Februar 1994 aus mehreren aufeinander gestapelten Stahlcontainern ein Knast im Knast mit 51 Haftplätzen. Dort werden Menschen inhaftiert, deren Asylanträge abgelehnt wurden und die sich der Abschiebung widersetzen; Menschen, die keinen legalen Aufenthaltsstatus haben und auf Straßen Bahnhöfen usw. aufgegriffen und kontrolliert werden; Saisonarbeiter, die ihr befristetes Aufenthaltsrecht überziehen usw.“ (Bündnis gegen Abschiebehaft, Tübingen, 1997: 5)
Das andere Abschiebegefängnis befindet sich auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Mannheim.
„Mit diesen Knästen, der paramilitärischen Sicherung der Außengrenzen und zahlreichen anderen Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene bekam die staatliche Kontrolle von Migration und Flucht eine neue Dimension. Für viele, die es noch schaffen, in die Bundesrepublik zu kommen, besteht die Gefahr, in einen illegalisierten Status gedrängt zu werden oder bei alltäglichen Polizeikontrollen verhaftet, in Abschiebehaft genommen und abgeschoben zu werden. Dafür wurden Institutionen geschaffen, um Flüchtlinge, Migrantlnnen und andere Nicht-EU-BürgerInnen kontrolliert und effektiv abschieben zu können […] Obwohl die Abschiebehaft rechtlich keine Strafe, sondern eine sogenannte Sicherungshaft ist, wird sie doch von den Abschiebegefangenen selbst als Bestrafung erlebt und von einem Großteil der Bevölkerung werden Abschiebehäftlinge als Kriminelle wahrgenommen. Flucht und Migration haben also in der Bundesrepublik in vielen Fällen den Anschein einer Straftat und führen zu Gefängnis und Abschiebung.“ (ebd.)
Wie mit solchen, zu „Straftätern“ gemachten Menschen umgegangen wird soll im Folgenden anhand einiger, aus dem Abschiebehaftreader entnommenen Beispiele dargestellt werden. Der Abschiebehaftreader wurde 1997 vom Tübinger Bündnis gegen Abschiebehaft herausgegeben und wurde von uns dokumentiert
Die Unterbringung
Im KUBARK-Handbuch zur nachrichtendienstlichen Vernehmung vom Juli 1963, das Ulla Jelpke (MdB) auf deutsch übersetzen lies (“CIA-Folter mit braunen Wurzeln”) heißt es:
„D. Inhaftierung
Wenn mithilfe eines kooperierenden Verbindungsmannes oder durch einseitige Maßnahmen Vorkehrungen für die Inhaftierung einer kooperationsunwilligen Quelle getroffen wurden, sind die Haftbedingungen so zu gestalten, dass in dem Subjekt das Gefühl des Abgeschnittenseins von der bekannten und beruhigenden Welt und der Auslieferung an eine fremde Welt verstärkt wird, […] Diese Maßnahmen begründen sich auf der Tatsache, dass der Identitätssinn eines Menschen auf der Kontinuität seiner Umgebung, Gewohnheiten, Erscheinung, Aktionen, Beziehungen mit anderen und ähnlichem beruht. Durch die Inhaftierung kann der Vernehmer diese Verbindungen zerschneiden, so dass sich der Verdächtige ohne Unterstützung und nur auf seine eigenen internen Ressourcen zurückgeworfen sieht.“ (KUBARK: Nachrichtendienstliche Vernehmungen Juli 1963:55. Unter: http://www.ulla-jelpke.de/uploads/Kubark.pdf)
Die Gefangenen sind innerhalb der JVA in Containern untergebracht. Dieser „Knast im Knast“ ist nochmals mit Stacheldraht umzäunt. Die Zellen sind ca. 16qm groß und beinhalten eine Nasszelle. In einer solchen Zelle sind drei Personen, meist gleicher Nationalität, untergebracht.
Ein Flüchtling aus Ghana beschrieb die Situation in der Gefängniszelle als unerträglich. Es sei heiß, die Luft sei schlecht, der Raum sei eng und das Fenster der Zelle könne man nicht selbst öffnen. Ebenfalls befände sich die Toilette innerhalb der Zelle.
„’Täglich, von 12:00 bis 12:45 Uhr und von 15:00 bis 15:45 Uhr kannst du deine Zelle verlassen und in den Gefängnishof gehen. Danach schließen sie dich wieder ein. Du bist also 22,5 Stunden lang eingesperrt, und du wirst wahnsinnig (…)’ (aus der Rede eines ehemaligen Abschiebehäftlichns aus Ghana, gehalten vor dem Knasttor in Rottenburg am 15. Juli 1995)’“ (Bündnis gegen Abschiebehaft Tübingen, 1997:7)
Angst
Die Aufrechterhaltung von Angst ist ein weiteres Mittel um Gefangene zur Kooperation zu bewegen und ihren Willen zu brechen. So heißt es im KUBARK Vernehmungshandbuch weiter
„F. Drohungen und Ängste
Die Androhung von Zwangsmaßnahmen schwächt oder bricht Widerstand normalerweise effektiver als die Zwangsmaßnahme selbst. Die Androhung von Schmerzen kann zum Beispiel schlimmere Ängste hervorrufen als die eigentliche Schmerzempfindung. Tatsächlich unterschätzen die meisten Menschen ihre Schmerzresistenz. Das gleiche Prinzip gilt auch für andere Ängste: Wenn sie lange genug aufrecht gehalten wird, führt eine starke Angst vor vagen oder unbekannten Erlebnissen Regression herbei, während das tatsächliche Eintreten des gefürchteten Ereignisses, wie die Ausführung einer Bestrafung, als Erleichterung empfunden wird.“ (KUBARK: Nachrichtendienstliche Vernehmungen Juli 1963:58.)
Im Falle des Abschiebegefängnisses in Rottenburg ist die permanent aufrechterhaltene Angst vor dem Eintreten eines unerwünschten Ereignisses die permanent aufrechterhaltene Angst vor der drohenden Abschiebung. Die Gefangenen werden über den Termin ihrer Abschiebung im Unklaren gehalten. Für viele ist Abschiebung mit einer weiteren Inhaftierung, Folter oder gar mit Tod im Heimatland verbunden. Wann das Ereignis wirklich eintritt und wie die Realität aussehen wird, kann von vielen Gefangenen nur in Gedanken ausgemalt werden. Das Bündnis gegen Abschiebehaft, das die Gefangenen in der Rottenburger Abschiebehaft regelmäßig besuchte, schreibt zu dieser Praxis:
„In der Regel werden die Flüchtlinge über ihren Abschiebetermin nicht informiert. Sie müssen täglich damit rechnen, in aller Frühe von mehreren Beamten abgeholt zu werden. Perspektivlosigkeit, Angst und deprimierende Leere kennzeichnen diesen zermürbenden Alltag. Bei unseren Besuchen erleben wir häufig, daß die Flüchtlinge nach einigen Wochen oder Monaten der Haft nicht mehr in der Lage sind, klare Gedanken zu äußern und in lähmende Passivität verfallen.“ (Bündnis gegen Abschiebehaft, 1997: 7)
Abhängigkeit
Die Gefangenen sind in jeglicher Hinsicht vom Personal der JVA und deren Angestellten abhängig. Was hinter den Mauern des Gefängnisses von statten geht, gelangt meist nicht an die Öffentlichkeit. Diese Situation bietet einen optimalen Spielraum für die Willkür der Angestellten der JVA. Das Bündnis gegen Abschiebehaft berichtet, wie im Bereich der medizinischen Versorgung sehr nachlässig mit den PatientInnen umgegangen wurde.
Ein Inder, der in Stuttgart wegen Epilepsie behandelt wurde und drei Monate später zur Kontrolle hätte erscheinen sollen, wurde zwischenzeitlich in Abschiebehaft genommen, sein Gesundheitszustand verschlechterte sich. Eine erneute Einstellung seiner Medikamente und eine Nachkontrolle im Bürgerhospital, wurde vom medizinischen Personal der JVA befürwortet, von der Leitung der JVA aber abgelehnt – die Fluchtgefahr sei zu hoch.
Ein Algerier der sich beim Sport den Finger brach, musste sehr lange bitten, bevor er in Handschellen zur Operation in ein tübinger Krankenhaus gebracht wurde. Ein Togolese wurde abgeschoben, obwohl eine Woche nach seiner Abschiebung eine Behandlung im Genitalbereich im Krankenhaus vorgesehen war. Die Verletzung wurde ihm von BGS-Beamten beigebracht als er sich einem Abschiebungsversuch widersetzen wollte.
Weiter berichtet das Bündnis, dass in der JVA Rottenburg zwei Angestellte einer Sicherheitsfirma angestellt waren. Der damalige Leiter der JVA betonte allerdings, dass er bei der Auswahl des Personals darauf Wert lege, dass keine Hardliner zum Einsatz kämen, sondern nur Menschen, die das Schicksal der “Abzuschiebenden” nachempfinden könnten. Wie die Realität für viele Inhaftierte wirklich aussieht, wird an folgendem Bericht des Bündnisses gegen Abschiebehaft verdeutlicht.
„[A]m 10.08.1995 gegen 15.45 Uhr, nach der Abendessensausgabe, brachte ein Beamter Rashids Zellenkollegen ohne ersichtlichen Grund in eine benachbarte Zelle. Dann kamen fünf Beamte in Rashids Zelle und forderten ihn auf, seine Sachen zusammenzupacken. Der Anführer der Beamtengruppe war jener, gegen den Rashid bereits Strafanzeige erstattet hatte. Dieser begann ihn zu beschimpfen, laut eines Zellennachbars mit den Worten: ,,Du willst uns Probleme machen? Die kannst Du jetzt haben!” Dann begann er ihn ins Gesicht zu schlagen. ,,Er brach mir ein Stück Zahn heraus und verletzte mich am Auge.” Dann fiel Rashid zu Boden. Die Beamten nahmen ihn an Händen und Füßen und zogen ihn, wie ein Tier, mit freiem Oberkörper über den Boden. Einer hielt ihm den Pullover um den Hals, sodaß er fast keine Luft mehr bekam. Andere Häftlinge konnten durch ihre Spione sehen, daß er weggetragen wurde. Sie brachten ihn in den ,,besonders gesicherten Haftraum”. Rashid mußte dort die ganze Nacht verbringen, mit Hand- und Fußschellen gefesselt. Nachdem er bereits ein bis zwei Stunden im ,,besonders gesicherten Haftraum” war, kam der Gefängnisarzt, um ihn zu untersuchen. Zu dieser Untersuchung kam es aber nicht, weil sich Rashid dagegen wehrte. ,,Der Arzt sagte mir, daß er sein Möglichstes tun würde damit ich nach Algerien abgeschoben werde.” (Bündnis gegen Abschiebehaft, 1997:10)
Suizid
Ein Mitglied des Bündnisses gegen Abschiebehaft schreibt, dass bei ihren Besuchen im Rottenburger Abschiebegefängnis Selbstmord kein Ausnahme-, sondern ein Alltagsthema sei. Spreche jemand von Selbstmord im Falle einer Abschiebung, dann werde er nicht besonders ernst genommen. Zu den Vorbeugenden Maßnahmen gehörten Beruhigungstabletten und Psychopharmaka.
„Der einzige Abschiebegefangene, der aufgrund seiner Suizidgefährdung aus dem Rottenburger Abschiebeknast freigelassen wurde, schrieb: ´Wenn dein Leben in Gefahr ist, geben sie dir Tabletten, die dich verrückt machen. Diese Tabletten sind sehr stark. Oft verlierst du die Kontrolle über deinen Körper. Du scheißt ins Bett, du wirst ohnmächtig. Aber sie zwingen dich, diese Tabletten dreimal am Tag zu nehmen.’“(Bündnis gegen Abschiebehaft, 1997:14)
Der damalige Anstaltsleiter Malik bestritt laut den Aussagen des Bündnisses jedoch jeglichen Einsatz von Tabletten und Beruhigungsspritzen.
Entzug von Sinnesreizen
„E. Entzug von Sinnesreizen
Gefangennahme und Inhaftierung, insbesondere Einzelhaft, dienen in erster Linie dazu, dem Subjekt viele oder die meisten seiner gewohnten Seh-, Hör-, Geschmacks-, Geruchs- und Berührungsreize zu entziehen. John C. Lilly hat achtzehn autobiographische Geschichten von Polarforschern und Seefahrern untersucht, die ganz allein unterwegs waren. Er stellte fest, „… dass Isolation an sich auf die meisten Menschen einen enormen Stress ausübt …“ […] Der offensichtliche Grund für die Entwicklung dieser Symptome ist, dass eine von externen Reizen abgeschnittene Person ihre Aufmerksamkeit nach innen richtet, auf sich selbst, und dann den Kern ihres unbewussten Selbsts nach außen projiziert, so dass sie eine gesichtslose Umgebung mit ihren eigenen Eigenschaften, Ängsten und vergessenen Erinnerungen füllt. Lilly sagt dazu: ‚Die Neigung, die innere mentale Welt nach außen zu projizieren, ergibt natürlich einen Sinn, da ein Großteil der geistigen Aktivitäten, die sich normalerweise auf die Realität konzentrieren, nun brach liegen. Diese Leere wird erst mit Phantasien und schließlich mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen gefüllt.’
[…] Der Entzug von Sinnesreizen führt zu Regression, indem das Subjekt mental vom Kontakt mit der Außenwelt abgeschnitten wird und ganz sich selbst überlassen bleibt.“ (KUBARK: Nachrichtendienstliche Vernehmungen Juli 1963:58.)
In der JVA Rottenburg gibt es laut Justizminister Thomas Schäuble (Stand: 1997), einen ‚besonders gesicherten Haftraum’, der zur Verwahrung Suizid gefährdeter Gefangener dient.
„Er ist sieben Quadratmeter groß und befindet sich im Keller des Strafvollzugsgebäudes Die Zelle ist leer, in einer Ecke ist das Pissoir in den Boden eingelassen, es gibt eine Matratze und eine angeblich reißfeste Decke. Das Fenster ist zugemalt, ‚damit die anderen Häftlinge von außen nicht reingucken können’ (Malik). Diese Zelle wird ständig auf 27°C aufgeheizt. Bevor ein Gefangener in diese Zelle kommt, werden ihm alle Kleider abgenommen und er bekommt ein reißfestes T-Shirt zum Anziehen.“ (Bündnis gegen Abschiebehaft, 1997:14)
Ein Gefangener darf längstens für drei Tage in einem solchen ‚besonders gesicherten Haftraum’ festgehalten werden, danach muss das Justizministerium über die Inhaftierung informiert werden. Für den Algerier Nakim bedeutete seine Inhaftierung in dieser Zelle einen zweiten Selbstmordversuch
Wenn die Polizei nachts vor der Türe steht
Neben der menschenverachtenden Praxis der Abschiebegefängnisse gibt es in Baden-Württemberg noch die Praxis, Menschen von der Polizei abholen zu lassen und diese dann zum Flughafen zu bringen, um sie in das Land zu fliegen, aus dem sie geflohen sind. Die brutale Praxis an den Flughäfen seitens der ehemaligen BGS-BeamtInnen (heute Bundespolizei), wurde spätestens im Mai 1999 bekannt, als der Sudanese Aamir Ageeb durch das brutale Vorgehen der BGS-BeamtInnen zu Tode kam. Der Nigerianer Kola Bankole kam am Frankfurter Flughafen aufgrund einer Beruhigungsspritze und Knebelungen ums Leben.
Aber nicht nur das Vorgehen der Beamten am Flughafen ist mitunter skandalös, sondern auch die Praxis der Abholung ist auf das Schärfste zu verurteilen. Nicht selten kommt es vor, dass Menschen mitten in der Nacht von der Polizei abgeholt werden. Die Situation in Deutschland und die Situation im Heimatland scheinen in den folgenden beiden Fällen keinen Einfluss auf die Abschiebungsanordnung gehabt zu haben. Die beiden Fälle aus der Region Tübingen/Reutlingen wurden von der örtlichen Presse, nicht zuletzt wegen des skandalösen Charakters, sowie den folgenden Protesten, ausführlich dokumentiert.
Die Familie Jashari schien beruhigt zu sein, denn sie hatte bis zum 31. März 2003 eine Verlängerung ihrer Duldung erhalten. Es muss ein unglaublicher Schock für die in Kusterdingen lebende Familie gewesen zu sein, als zwei Tage später, am 17. Dezember 2002 nachts um zwei Uhr früh die Polizei vor ihrer Tür stand und sie abholte, um sie abzuschieben. Nach beinahe zehnjährigem Aufenthalt wurden die beiden Eltern mit ihren drei Kindern nach Pristina ausgeflogen. Der Anwalt der fünfköpfigen Familie warf dem Regierungspräsidium vor, dass noch nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft worden seien und die Mutter psychisch erkrankt sei. Auch habe er es noch nie erlebt, dass ein zweieinhalb Monate altes Kind abgeschoben wurde. Die Pressesprecherin des Regierungspräsidiums, Grit Puchan, ließ verlauten, dass zwei Asylverfahren der 1993 eingereisten Familie bereits abgeschlossen gewesen seien, auch seien Abschiebungen trotz zuvor erteilter Duldung durchaus üblich.
Im November 2005 klopfte morgens um fünf die Polizei an die Türe des in einer Sigmaringer Flüchtlingsunterkunft lebenden Afrikaners Koffi Cyrille Adamah. Als er die Türe öffnete hielten ihm die Beamten ein Papier unter die Nase und sagten: „Du musst mitkommen.“ Trotz mehrmaligem Bitten seinen Anwalt kontaktieren zu dürfen, wurde ihm dies verwährt. Der aus Togo stammende Koffie Cyrille Adamah hatte Glück. Er war schon in Frankfurt und saß im Flugzeug nach Lomé, der Hauptstadt Togos, als der Abflug der Maschine durch eine Eilentscheidung der Sigmaringer Richter nur wenige Minuten vor dem Start der Maschine gestoppt werden konnte. Ein Freund aus Reutlingen, der von dem Abschiebeversuch erfuhr, kontaktierte sofort den Tübinger Anwalt, was ihm vermutlich das Leben rettete.
Auch Herr Adamah wähnte sich in Sicherheit, denn ihm wurde von der Reutlinger Bezirksstelle zugesichert, einen Monat vor seiner Abschiebung eine schriftliche Ankündigung zu erhalten. Aufgrund der von der Bezirksstelle gemachten Zusicherung einer Ankündigung wurde der von Herrn Adamahs Anwalt eingeforderte Rechtsschutz gegen eine drohende Abschiebung abgelehnt – die zugesicherte schriftliche Ankündigung hat Herr Adamah nie erhalten. Das Asylhauptsachverfahren am Sigmaringer Verwaltungsgericht lief noch. Der Anwalt Adamahs stellte eine Strafanzeige gegen den Asylbezirksstellenleiter Manfred Reuss. Das Bündnis gegen Abschiebung forderte seinen Rücktritt. Dieser Fall sei nur einer von vielen, auch den Entzug der bereits erteilten Arbeitserlaubnis der Töchter Akasche habe Reuss zu verantworten, was juristisch erfolgreich angefochten wurde, so Frau Heide Kautt in einem Interview mit Andreas Linder. (http://www.andreaslinder.de/)
Die Pressesprecherin Grit Pucham des Regierungspräsidiums Tübingen, dem die Asylbezirksstelle Reutlingen untersteht, erklärte, dass Fehler unbeabsichtigt gemacht worden seinen. Ein Mitarbeiter der Bezirksstelle hätte den Eintrag, dass Herr Adamah einen Monat vor seiner Abschiebung benachrichtigt werden müsse, übersehen.
In beiden Fällen ist auffällig, dass die Betroffenen aufgrund amtlicher Zusagen darauf vertrauten, nicht abgeschoben zu werden. Die Abholung der Abzuschiebenden erfolgte jeweils in den frühen Morgenstunden. Dass dies gängige Praxis ist, wurde uns auch von einem Mann aus Algeriern bestätigt. Er meinte uns gegenüber, dass er Angst habe, die Polizei würde ihn abschieben. Sein Bruder sei bereits ermordert worden, dasselbe würde im Falle einer Abschiebung auch mit ihm passieren. Am schlimmsten seien die Nächte, er hätte stets Angst, dass die Polizei ihn zur Abschiebung abholen werde.
„C. Festnahme
Die Art und Weise sowie der Zeitpunkt einer Festnahme können dem Vernehmer das Erreichen seines Ziels erleichtern. „Wir möchten sicherstellen, mit der Art der Festnahme nach Möglichkeit Überraschung und ein maximales Maß an mentalem Aufruhr zu erzielen, damit wir den Verdächtigen aus dem Gleichgewicht bringen und ihm nicht die Möglichkeit geben, die Initiative zu ergreifen. Er sollte darum in dem Moment festgenommen werden, in dem er es am wenigsten erwartet und seine mentale und physische Widerstandskraft möglichst gering ist. Der ideale Zeitpunkt für die Festnahme einer Person sind die frühen Morgenstunden, weil dann ein Überraschungsmoment greift und sich die Widerstandskraft dieser Person sowohl in physiologischer als auch psychologischer Hinsicht auf einem Tiefpunkt befindet … Wenn ein Verdächtiger nicht in den frühen Morgenstunden festgenommen werden kann … ist der nächstbeste Zeitpunkt der Abend“ (KUBARK: Nachrichtendienstliche Vernehmungen Juli 1963, S. 55)