Für Nicht-EU-BürgerInnen gibt es drei Arten nach Deutschland zu gelangen und dort als „illegal aufhältige“ Person zu gelten.
Am stärksten thematisiert werden die undokumentierten Wege nach Deutschland, vorbei an den Kontrollen der Außengrenzen der EU, die Weiterreise nach Deutschland, ebenso wie das Umgehen der Kontrollen an Häfen und Flughäfen Deutschlands. In diesem Fall ist i.d.R. die Hilfe von Schlepperorganisationen nötig. Diesen Weg müssen überwiegend Flüchtlinge gehen, da sie keine Möglichkeiten der legalen Einreise haben. Eine nachträgliche Legalisierung ist fast nur über einen Asylantrag möglich, der meist abgelehnt wird. Dies resultiert oft im Status einer Duldung
Weiterhin gibt es zwei Arten einer dokumentierten Einreise. Die scheinlegale Einreise – das Passieren von Grenzkontrollen mit gefälschten Papieren und die legale Einreise nach Deutschland, der ein Abrutschen in die „aufenthaltsrechtliche Illegalität“ im Land folgt. Die legale Einreise, der aufenthaltsrechtliche Konsequenzen folgen, stellt den komplexesten Sachverhalt unserer Studie dar. Sie kann im Rahmen von Familiennachzug oder Eheschließungen, mit einem Visum für StudentInnen oder Au-Pairs erfolgen. Da der legale “Grund” für den Aufenthalt entfallen kann, führen die Ausländerrechtlichen Bestimmungen, ob umgesetzt oder nicht, für die betroffenen Personen zu einer nachteiligen Position für ihre Lebensführung, Lebensplanung und auf dem Arbeitsmarkt. Selbst Menschen, die über Jahre hinweg, nicht selten als Gastarbeiter nach Deutschland eingeladen, in Deutschland leben und arbeiten, können Probleme mit ihrer Arbeitserlaubnis und einer Verlängerung ihres Aufenthaltsstatus bekommen.
Begleitet werden die Reisewege der MigrantInnen durch ein staatliches und suprastaatliche Kontrollsystem, dessen Aufgabe es ist Migration zu begrenzen.[1] Dieses erstreckt sich über vier Ebenen. Außerhalb der EU durch bilaterale Verträge und durch die Entsendung von Verbindungsbeamten, an den europäischen Außengrenzen durch Grenzkontrollen, innerhalb der EU durch Kontrollen und unter Verwendung verschiedener Datenbanken, sowie innerhalb eines jeden Nationalstaates der EU mit nationalstaatlichen Mitteln. Durch eine Verweigerung einer Amnestie für Menschen, die sich seit mehreren Jahren ohne gültigen Aufenthaltsstatus innerhalb Deutschlands aufhalten, durch die Vernetzung der Behörden, den Rückgriff auf mehrere Datenbanken und den §87 des Aufenthaltsgesetzes, hat Deutschland ein bürokratisches System direkter und indirekter Kontrollen aufgebaut.
Die Beweggründe nach Deutschland zu kommen sind, ebenso wie die Einreisewege, die MigrantInnen wählen, sehr unterschiedlich und oft sehr individuell. In einem Fall wurde uns von kurdischen Flüchtlingen berichtet, die sowohl vom türkischen Militär, als auch von der PKK gesucht und verfolgt wurden und die es geschafft haben, undokumentiert die Türkei zu verlassen und undokumentiert nach Deutschland einzureisen. In einigen anderen Fällen wurde uns von Menschen berichtet, die es, teilweise trotz Skepsis der Grenzbeamten, geschafft haben, mit gefälschten Papieren nach Deutschland einzureisen. In den meisten Fällen, mit denen wir zu tun hatten und über die uns berichtet wurde, handelte es sich um Menschen, die auf legalem Wege nach Deutschland einreisten und erst im Land selbst Probleme mit ihrem Aufenthaltsstatus bekamen, diesen auch in einigen Fällen verloren.
Die Abhängigkeiten, mit denen die betroffenen Personen zu kämpfen haben, werden in einem anderen Kapitel dieser Arbeit thematisiert, an dieser Stelle sollen zunächst beispielhaft die Wege einiger Personen, mit denen wir in Kontakt standen aufgezeigt werden.
Eine Person, die wir im Großraum Stuttgart trafen und deren Aufenthaltsstatus mittlerweile gesichert ist, berichtete uns, wie sie damals nach Europa kam. Aufgrund der sozialen Missstände in ihrem Land fühlte sie sich gezwungen, ihr Land zu verlassen. Als ihr ein Kapitän eines Schiffe anbot, sie mit nach Europa zu nehmen, sagte sie zu. Auf diese Weise kam sie gegen Ende der 80er Jahre nach Spanien, wo sie ein Jahr ihres Lebens verbrachte. Das Touristenvisum war nur drei Monate gültig, somit verbrachte sie die restliche Zeit in Spanien ohne gültige Aufenthaltserlaubnis und war somit neun Monate lang „illegal“ in Spanien. Zwar hätte der Bruder des Kapitäns, ihrer Aussage nach, für einen legalen Aufenthaltsstatus sorgen können, da sie aber vom Kapitän und dessen Freunden aufgenommen wurde und durch diese Arbeit und Unterkunft erhielt, war dies nicht nötig. Sie empfand Spanien als ein sehr interessantes und angenehmes Land.
Eine andere Person berichtete uns, dass sie schlichtweg vergessen hatte, dass ihr Visum abgelaufen war. Es sei nie ihr Plan gewesen nach Deutschland zu kommen. Als sie aber in ihrer Heimat einen Deutschen traf, begleitete sie ihn nach Deutschland. Dort lebte sie in einem kleinen Dorf auf der Schwäbischen Alb, wo sie im Kreis der Bekannten Arbeit fand. Eines Tages wurde sich die Person darüber bewusst, dass ihr Visum schon seit Jahren abgelaufen war und dass dies im Falle von Krankheit ernsthafte Probleme mit sich bringen könne. Daraufhin beschloss sie sich selbst bei der Ausländerbehörde zu melden, die sofort ihre Papiere einbehielt.
In beiden Fällen handelte es sich um Personen, die durch soziale Kontakte in ihrem Heimatland mit einem Touristenvisum nach Europa kamen. Beide fanden Arbeit in sozialen Netzwerken, fernab des Zugriffs behördlicher Kontrollinstanzen und beide blieben über die Dauer ihres gültigen Aufenthalts hinaus im Einreiseland.
Für drei der Personen mit denen wir in Kontakt traten, schien ein Jahr als Au-Pair eine gute Möglichkeit zu sein, ihr Land und die dortigen Lebensbedingungen zumindest für eine gewisse Zeit zu verlassen und sich durch das Erlernen einer weiteren Sprache weiter zu bilden.
Angela ist seit über zehn Jahren in Deutschland. Eigentlich wollte sie englisch lernen, ist deshalb von Brasilien in die USA gegangen und dort mit Greyhound-Bussen durchs Land gereist. Dabei hat sie viele Deutsche kennengelernst und begonnen, sich für Deutschland zu interessieren. Zurück in Brasilien hat sie an der Uni deutsch gelernt. Es gab dort auch sonst viele Veranstaltungen zu und Menschen aus Deutschland. Eine Freundin von ihr erzählte, dass sie als Au-Pair in Deutschland gearbeitet hätte und das gut ginge. Sie hat das dann auch probiert und wurde über eine Agentur an eine Familie in einer Kreisstadt nahe Stuttgart vermittelt.
Auch für Betina und Alba, schien ein Jahr in den USA einen Einstieg zu bieten, ihr Land zu verlassen. Beide bewarben sich in ihrem Heimatland in Peru bei einer Vermittlungsagentur für ein Jahr im Ausland als Au-Pair. Ihren Berichten zufolge sei es aber nie ihre Absicht gewesen nach Deutschland zu kommen. Nachdem ihre Bewerbung für die USA abgelehnt wurde, hatten beide die Möglichkeit das bereits bezahlte Geld für die Vermittlung verfallen zu lassen, oder sich für ein anderes Land zu bewerben. So beschlossen beide, als Au-Pair nach Deutschland zu kommen.
Eine Iranerin, mit der wir sprachen, ist mit ihrem jüngsten Sohn geflohen, weil ihr Mann sie regelmäßig geschlagen und vergewaltigt hat. Sie musste illegal einreisen und hat hier Asyl beantragt. Ihr Mann arbeitet im Iran für die Regierung, er bekäme es sicher mit, wenn sie abgeschoben würde, deshalb befürchtet die Frau in diesem Fall das Schlimmste. Bei der Verhandlung, bei der über ihren Status entschieden wurde, erlitt sie einen Nervenzusammenbruch.
Sehr komplexe Sachverhalte ergeben sich im Kontext von Familienmigration. Hier vermischen sich häufig die Gründe für die Migration und die rechtliche Grundlage des Aufenthalts. So erzählte uns Ata, wie er als „importierter Bräutigam“ nach Deutschland kam heiraten sollte, aber lieber studieren wollte. In seinem Exposé, das er als Grundlage für einen Film verfasste, schreibt er:
„Aus kulturellen, sozialen und religiösen Gründen sollen die türkischen Mädchen (meistens) in Deutschland einen Mann aus der Heimat heiraten, die so genannten ‚importierten Bräutigams’, damit sich die türkische Kultur in der Fremde nicht assimiliert.
Ata berichtete uns, wie er von einer türkischen Familie zum Zwecke seines Studiums nach Deutschland eingeladen wurde. Die Familie, die seit über 30 Jahren in Deutschland lebt, kannte er aus der Sommerhaussiedlung in der Türkei. Allerdings gab es Differenzen mit der Familie, die ihn dazu zwangen, auszuziehen.
„Im Sprachkurs traf ich viele verschiedene Studenten aus aller Welt, auch meinen jetzigen besten Freund, Renan. Mit der Zeit hatte ich meinen eigenen sozialen Umkreis, und unternahm mit den Freunden einiges aber das ganze gefiel meiner Freundin und ihrer Familie überhaupt nicht und sie versuchten, mich unter Druck zu setzen.
Ihre Familie wollte uns gleich verheiraten, bevor ich meine Augen in die Realität öffnete. Ich teilte Ihnen jedoch mit, dass es zu einer Verheiratung noch viel zu früh für uns beide ist. Doch mein aller erste Ziel war in Deutschland zu studieren und nach meinem Abschluss an eine Familiengründung zu denken. Mein Leben nach ihren Wünschen zu gestalten, war nicht meine Sache.
Weil ich deren Anforderungen nicht nachkam, bin ich dann zu einem Außenseiter in der Familie geworden. Mit der Zeit, bemerkte ich deren eigentlichen Plan, sie wollten mich für mein Studium gar nicht unterstützen, sondern ich sollte nur der Ehemann für ihre Tochter werden. Sie hatten mich als einen „Importierte Bräutigam“ gesehen und nützten meinen Studiumsaufenthalt.
[Sie] hatten mich aus dem Haus geworfen. Dennoch wollte ich trotz des allen in Deutschland bleiben und studieren. Mein bester Freund, Renan, schlug mir vor, dass ich bei ihm wohnen kann. Renan stellte mich mit seiner Vermieter, Ersin, vor. Sie waren auch eine türkische Familie. Da ich zu deren Kindern in Mathe Nachhilfe Unterricht gab, kamen wir mit der Zeit noch enger zusammen. Eine Woche nach dem Einzug schlug der Ersin uns vor, dass wir in seinem Döner-Laden arbeiten können. Somit hatte für mich ein neues Leben in Deutschland begonnen durch die Hilfen und Unterstützungen von Renan und die Familie von Ersin.
Das Ganze hatte sich trotz der schlechten Erfahrungen zum Guten gewendet. Gut, dass ich meine Hoffnungen nicht aufgegeben hatte und meinen Zielen nachging. Ich brachte mein Sprachkurs mit Erfolg zu Ende und schaffte es, an der Hochschule zugelassen zu werden.“
Ein junges Mädchen aus Ghana musste kürzlich wieder zurückreisen, obwohl sie gerne hier geblieben wäre. Ihr Onkel lebt hier seit Jahren und ist Busfahrer, hat aber drei Kinder, die er nun alleine versorgen muss. Deshalb kam sie mit einem Besuchsvisum für drei Monate, um ihn zu entlasten. Es hat ihr hier sehr gefallen und sie hat all diese „Klischee-Märchen“ über ihr Herkunftsland erzählt, dass man dort das Wasser jeden Tag holen müsse und mit den Hühnern schlafe. Sie hat versucht, als Au-Pair bei ihrem Onkel zu bleiben, aber das ging nicht, scheinbar, weil er ihr kein eigenes Zimmer zur Verfügung stellen konnte.
Weiterhin wurde uns erzählt, dass manchmal einzelne Mitglieder einer Familie keinen gültigen Aufenthaltstatus hätten. Dies sei dadurch zu erklären, dass diejenigen, die abgeschoben wurden, häufig aufgrund der Situation in der Heimat und der damit einhergehenden Perspektivlosigkeit sich entschließen würden, zu ihren Familien zurückzukehren. Dass eine solche Situation zusätzliche Probleme für die ganze Familie aufwirft ist klar – nicht zuletzt deswegen, weil sich die aufenthaltsberechtigten Mitglieder der Familie strafbar machen würden was u.U. auch für diese zu einer Abschiebung führen könne. Aber auch alltägliche Situationen stellen eine enorme Belastung für diese Familien dar.
Manchmal hat auch die Ausreise einiger Familienmitglieder Konsequenzen für den Status der zurückgebliebenen. So sprachen wir mit einem jungen Mann, dessen Eltern als türkische Gastarbeiter in Deutschland gearbeitet hatten. Zwei seiner Brüder lebten von Anfang an in Deutschland, er kam erst nach, als er die Grundschule in der Türkei abgeschlossen hatte, besuchte hier eine weiterführende Schule und machte eine Ausbildung. Als seine Eltern in die Türkei zurückzogen, blieben alle drei Söhne in Deutschland, seine Brüder mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, er wurde hingegen Illegalisiert.
Anmerkung(en)
[1] Zum einen ist eine absolute Kontrolle von Migration nicht möglich, zum anderen ist anzunehmen, dass „illegale Migration“ auch immer Vorteile für gewisse Gruppen innerhalb einer Gesellschaft bietet – billige Arbeitskräfte in Pflege, Dienstleistung, Bau und Landwirtschaft seien hier als Beispiele genannt.