“Die Ausländerbehörde hat gesagt: ´das hast du gut gemacht´”
Insbesondere in Universitätsstädten sind viele MigrantInnen auf der Grundlage eines Studentenvisums anwesend. Um sich den Unterhalt und das Studium zu finanzieren, sind sie entweder auf Unterstützung ihrer Familien angewiesen oder siemüssen arbeiten. Wenn sie aus ärmeren Ländern kommen und ihre Eltern dort nicht zur Oberschicht gehören, müssen sie meist ihr ganzes Einkommen selbst verdienen. Von einigen wird gar erwartet, dass sie bereits während ihres Studiums Geld nach Hause schicken.
Ausländische Studierende dürfen laut Gesetz bis zu 90 Tage im Jahr arbeiten (bzw. 180 halbe Arbeitstage). Hierfür brauchen sie neben dem Visum eine entsprechende Eintragung in den Pass, die, ebenso wie das Visum, regelmäßig erneuert werden muss. Über die genannte Arbeitszeit hinaus dürfen sie als studentische Hilfskraft an der Hochschule beschäftigt sein oder in Einzelfällen nach Absprache mit der Arbeitsagentur auch in der Wirtschaft. Eine weitere Ausnahme sind berufsbegleitende Praktika, die, nach Absprache mit der Ausländerbehörde, auch entlohnt werden dürfen, wenn die 90-Tages-Grenze hierdurch deutlich überschritten wird. Die Entlohnung in Praktika entspricht aber meist keinem akzeptablen Stundenlohn, sondern eher einer “Aufwandsentschädigung”, da Praktika häufig mit erhöhten Mobilitätskosten verbunden sind. Auch bei Pflicht-Praktika, die eine Voraussetzung für den Abschluss des Studiums darstellen, ist es übliche Praxis, dass die Arbeitgeber eine Entlohnung durch Werkverträge oder “aus der Portokasse” vorschlagen. Hier betreten die Betroffenen bereits einen Graubereich.
Durch die Begrenzung der Arbeitszeit werden die Betroffenen quasi in den informellen Arbeitsmarkt gedrängt, so sie keine Unterstützung von ihrer Familie erhalten. Bei einem Lohn von 6,- Euro, wie er für studentische Aushilfskräfte – zumal mit Migrationshintergrund – im Großraum Stuttgart nicht ungewöhnlich ist, und regulären Arbeitszeiten von 8 Stunden pro Tag ergibt sich ein maximales Jahreseinkommen von 4320,- Euro, was für Unterhalt, Studiengebühren und Lernmaterial für ein ganzes Jahr sicher nicht ausreicht. Selbst bei einem nicht außergewöhnlichen aber guten Lohn von 10,- ergibt sich lediglich ein Jahreseinkommen von 7200,- Euro. Mehr als zehn Euro Stundenlohn werden zwar gelegentlich bezahlt, aber nur, wenn die StudentInnen de facto als Fachkräfte arbeiten und etwa die Buchhaltung eines kleinen Betriebes übernehmen.
Um den Lebensunterhalt zu decken, suchen sich viele Betroffene informelle Nebentätigkeiten. Unabhängig von deren konkreten Zeitaufwand stellen zwei unterschiedliche Beschäftigungen eine erhöhte Belastung dar und können die Studienleistungen beieinträchtigen. Deshalb sind viele gezwungen, mit ihren regulären Arbeitgebern Überstunden zu verhandeln, da die Zeit, die tatsächlich gearbeitet wird, von Behörden schwer zu überprüfen ist. Für die Arbeitgeber ergibt sich hierdurch die Chance, für die zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden einen niedrigeren Lohn auszuhandeln. Dabei argumentieren sie einerseits mit dem Risiko, welches sie eingehen, andererseit mit “Abrechnungsgründen”. Häufig wird ein höherer Lohn für die offiziell geleistete Arbeitszeit abgerechnet, darüber hinaus aber zusätzliche Arbeit erwartet.
Es ist davon auszugehen und wir trafen auch auf entsprechende Aussagen, dass sich die Ausländerbehörden dieser Praktiken bewusst sind. Die ausländischen Studierenden stehen somit unter einem Generalverdacht, informell beschäftigt zu sein. Dieser Verdacht lastet natürlich auf denjenigen schwerer, die aus armen Ländern und ärmeren Schichten stammen oder Angehörige von Minderheiten sind. Es gibt auch Fälle von Menschen mit Studierendenvisum, die gar keinen Abschluss anstreben. Viele von ihnen besuchen lediglich einzelne Kurse (insbesondere Sprachkurse) und arbeiten ansonsten. In der Logik der Ausländerbehörde gilt es, diese Fälle zu identifizieren und ihre Arbeitserlaubnisse und/oder Visa nicht zu verlängern. Hierfür können sie sich Nachweise über Studienleistungen vorlegen lassen. Auch Studienfachwechsel werden als entsprechende Hinweise aufgefasst und sind deshalb auf einen Wechsel begrenzt, wobei die Behörden nach Vorlage einer Begründung Ausnahmen machen können.
Insgesamt ist der Spielraum der Ausländerbehörden auch hier recht groß und die Entscheidung über Erteilungen von Studierendenvisa und Arbeitsgenehmigungen werden wesentlich seltener rechtlich angefochten als in anderen Fällen. Viele Betroffene führen die Entscheidung der BeamtInnen auf persönliche Sympathie oder subjektive Bewertungen – etwa hinsichtlich der Deutschkenntnisse – zurück. Wenn das Studium länger dauert als vorgesehen, so wird der Druck auf die Studierenden erhöht, sie werden zur Vorlage von Leistungsnachweisen und zum schnellen Abschluss des Studiums aufgefordert. Als nächste Stufe scheint die Arbeitserlaubnis verweigert zu werden. Ein Betroffener berichtete uns:
“Als ich das nächste Mal zur Ausländerbehörde musste, haben sie mich gefragt, ob ich gearbeitet hätte. Ich wusste zunächst nicht, was ich darauf sagen soll. Dann haben sie weitergebohrt, wovon ich denn gelebt hätte. Ich habe gesagt, meine Familie hätte mir Geld geschickt. Dann haben sie mich gewarnt, dass ich nicht schwarz arbeiten dürfe und die Geste eines abhebenden Flugzeuges gemacht. Mein Visum haben sie verlängert, aber ohne Arbeitserlaubnis … Ich war so erleichtert, dass ich dann wegen der Arbeitserlaubnis nicht mehr mit ihnen streiten wollte.”
Andere Betroffene – wir vermuten tatsächlich, dass das Verhalten der Behörde von der Herkunft, dem Auftreten und der Ausdrucksfähigkeit der Studierenden abhängt – berichten jedoch positiv von der Ausländerbehörde. Einer hat einmal unaufgefordert seine Zwischenprüfung mitgebracht (er hatte auch zuvor nie Probleme mit seinem Visum):
“Da haben sie gesagt: ´Das hast du gut gemacht´ und mein Visum verlängert. Sie sind immer freundlich zu mir … Nach meinem zweiten Studienplatzwechsel haben sie – mehr im Scherz – klar gemacht, dass das jetzt aber der letzte war.”
Nach abgeschlossenem Studium haben die Absolventen die Möglichkeit, ein Jahr nach einem Arbeitsplatz zu suchen. Es muss sich dabei um ein festes Anstellungsverhältnis im erlernten Tätigkeitsfeld handeln für dessen Zeitraum, jedoch maximal zwei Jahre, dann eine Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt wird. Das Beschäftigungsverhältnis kommt jedoch nur zu Stande, wenn die Arbeitsagentur zustimmt, da sich kein deutscher oder EU-Bürger mit den gleichen Qualifikationen für die Stelle findet. Aufgrund der Arbeitsmarktlage stellt dies viele ausländische AkademikerInnen vor große Schwierigkeiten, da es selbst bei deutschen immer seltener wird, dass sie eine feste Anstellung finden, ohne vorher als PraktikantInnen o.ä. angestellt zu werden.