Ziel des Projekts “aus dem Schatten! – illegalisierte MigrantInnen im neoliberalen Arbeitsmarkt” war eine Untersuchung, in welchen Branchen illegalisierte MigrantInnen überwiegend beschäftigt sind, welche Arbeits- und Ausbeutungsverhältnisse dort vorherrschen, wie Gewerkschaften mit diesen Phänomenen umgehen und wie sich der öffentliche Diskurs zu diesem Thema gestaltet. Darüber hinaus wollte die Studiengruppe dazu beitragen, dass die Anwesenheit, der gesellschaftliche Beitrag und die alltäglichen Schwierigkeiten illegalisierter MigrantInnen sichtbarer werden und eine bessere Vernetzung zwischen den Betroffenen und Unterstützergruppen befördern.
Die Vorbereitungsphase
In der ersten Phase unseres Projekts haben wir Literatur zu illegaler Migration, zu deren Bedeutung für den Arbeitsmarkt und zu gewerkschaftlichen Strategien im Umgang mit dieser zusammengetragen. Hier hat sich sowohl unsere räumliche als auch thematische Fokussierung als sinnvoll erwiesen. In mehreren deutschen Großstädten (München, Frankfurt), wurden in den letzten Jahren Studien zu den allgemeinen Lebensbedingungen von illegalisierten MigrantInnen erstellt. Die Münchner Studie, die von der Landeshauptstadt München in Auftrag gegeben wurde, wie auch die Frankfurter Studie enthielten konkrete Handlungsempfehlungen. Einige dieser Handlungsempfehlungen wurden von der Münchner Stadtverwaltung umgesetzt, was die Lage der Betroffenen in Teilen verbessert, das Problem der Illegalisierung jedoch nicht grundlegend geändert hat.
Für Stuttgart existierte eine solche Studie bislang nicht, die Ausbeutung am Arbeitsmarkt spielt in den vorliegenden Studien eine sehr marginale Rolle. Von einem niedrigen Niveau ausgehend findet allerdings gegenwärtig eine wachsende Auseinandersetzung auch mit diesem Aspekt statt. In den letzten Jahren erschienen einige Bücher v.a. zur Situation von Au-Pair-Mädchen und zur Ausbeutung migrantischer Haushaltshilfen (bspw. Helma Lutz). Zu diesem Thema wurde 2006 eine Dokumentation mit dem Titel „Haus Halt Hilfe“ produziert. Am 21. Mai wurde im SWR die Dokumentation „Neun Finger – keine Papiere“ ausgestrahlt, die über den Kampf eines illegalen Hafenarbeiters berichtete, der sich bei der Arbeit schwer verletzte, nur eine rudimentäre Krankenversorgung erhielt, anschließend „gekündigt“ wurde und keine Entschädigung von seinem Arbeitgeber erhielt.
Seit 2003 bemüht sich die Gesellschaft für Legalisierung darum, die Gewerkschaften für solche Themen zu sensibilisieren. 2005 wurde auf Betreiben der IG BAU der Europäische Verband der Wanderarbeiter gegründet. In den Jahren 2001-2004 hatte sich in Berlin eine Kampagne gegen Lohnbetrug entwickelt, die Anfang 2007 ihre Erfahrungen online und in Form einer Broschüre öffentlich machte (Elexir-A). Die hier angedeutete Literatur und Entwicklungen haben wir auf einem Blog im Internet dokumentiert. Obwohl dieser zunächst v.a. zur internen Kommunikation geplant war, nutzen ihn zwischenzeitlich auch andere Gruppen, mit denen wir im Laufe der Recherchen in Kontakt kamen.
Wir haben einen Interviewleitfaden für die Gespräche mit den Betroffenen und ein Flugblatt in sieben Sprachen verfasst, in dem wir unsere Motivation darstellten. Es gab allerdings die Kritik an dem Flugblatt, es suggeriere, dass wir in konkreten Auseinandersetzungen um Lohn und Aufenthaltsrechte intervenieren könnten, was eine falsche Versprechung sei. Deshalb haben wir diese Flugblätter nicht großflächig gestreut, sondern eher als Visitenkarte gegenüber anderen politischen Gruppen verwendet, mit denen wir in Kontakt traten. Der Prozess der Übersetzung und Diskussion des Flugblattes brachte uns bereits mit einigen Betroffenen und Unterstützern in Kontakt und regte in unserem persönlichen und politischen Umfeld bereits eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem Thema an. Dies verstärkte sich freilich, indem wir uns wesentlich in die Vorbereitung der Konferenz „Migration und Antirassismus, migrantische Selbstorganisation und Gewerkschaften“ des Rosa-Luxemburg-Forums Baden-Württemberg am 30.6 und 1.7.2007 einbrachten.
Die Interviewphase
Die zweite Phase bestand im wesentlichen darin, mit relevanten Akteuren in Kontakt zu treten und Interviews erstens mit „ExpertInnen“, zweitens auch mit Betroffenen durchzuführen. Wir traten mit im Migrationsbereich engagierten GewerkschaftsaktivistInnen, kirchlichen und politischen Asylgruppen in Kontakt und stellten unser Projekt vor. Wir haben bislang etwa 20 „Betroffene“ also MigrantInnen mit einem prekären Aufenthaltsstatus und beschränkter oder fehlender Arbeitserlaubnis interviewt, einige VertreterInnen kirchlicher Gruppen und Institutionen, VertreterInnen antirassistischer Gruppen, zwei Lehrerinnen für Deutsch als Fremdsprache, eine Gemeinderätin, einige Gewerkschaftler, eine Solidaritätsgruppe, die einen Streik vorwiegend migrantischer Arbeitskräfte unterstützte, eine Vertreterin einer afrikanischen Gemeinde, eine Mitarbeiterin eines Frauenhauses sowie drei politische Migrantenvereine und eine Vermittlungsstelle für Au Pairs. Diese Interviews gingen meist etwa 1.5 bis 2 Stunden, während der wir uns Notizen machten. Neben den Interviews gab es viele informelle Gespräche und Telefonate.
Empirische Quellen
Unsere empirischen Quellen haben wir in drei Kategorien gefasst:
1. Interviews mit ExpertInnen, d.h. VertreterInnen religiöser und politischer Gruppen, die MigrantInnen auch mit prekärem Aufenthalt betreuen oder unterstützen, VertreterInnen migrantischer Vereine und auch Menschen, die durch ihre Beschäftigung in der kommunalen Verwaltung mit den Problemen von Menschen mit prekärem Aufenthalt konfrontiert sind.
2. Interviews mit Betroffenen, also Menschen, die gegenwärtig oder zuvor einen prekären oder auch keinen Aufenthaltsstatus hatten und in irgend einer Form erwerbstätig waren.
3. Gespräche mit Betroffenen, ExpertInnen und auch wenigen Arbeitgebern, mit denen wir allerdings keine verabredeten und später verschriftlichten Interviews geführt haben.
Unter die letzte Kategorie fallen insbesondere auch Betroffene, deren Situation wir während der Recherchen kontinuierlich verfolgt haben oder die uns bei den Forschungen behilflich waren.
Die Interviews fanden an verschiedenen Orten statt: Bei den Betroffenen oder ExpertInnen zu Hause, im öffentlichen Raum oder in Räumlichkeiten von Vereinen. Mit den meisten Betroffenen hatten wir vor den Interviews lediglich per Mail oder telefonisch Kontakt. Unsere Methoden, mit Betroffenen in Kontakt zu treten, waren vielfältig: Wir wurden über ExpertInnen, also auch über politische Gruppen oder migrantische Vereine an sie vermittelt, riefen sie aufgrund von Aushängen in Supermärkten an und nutzten auch Kontakte aus unserem persönlichen Umfeld. Ein Versuch, auf Inserate in Zeitungen (Beispielsweise Anzeigen von Haushaltshilfen oder Gartenhelfer) zu reagieren, blieb hingegen erfolglos. Eine der Betroffenen, die als Haushaltshilfe arbeitet, sagte in einem Interview: “Wenn man in der Zeitung inseriert hat, hat man danach wochenlang Angst, ob sich nicht die Polizei meldet, oder plötzlich vor der Türe steht”. Nachweise, dass die Polizei auf diese Weise ermittelt, fanden wir hingegen keine. Dieselbe Person sagte auch: “Die Putzhilfen sind eigentlich toleriert, da wird nicht ermittelt. Das ist so ähnlich wie Babysitting, das machen Richter und Staatsanwälte und Bürgermeister und keiner kommt auf die Idee, dafür einen Arbeitsvertrag zu machen und Steuern zu bezahlen”. Dennoch: “Wenn Du in der Zeitung inseriert hast, oder die Nachbarn komisch schauen, machst du dir Sorgen”.
Wir haben die Interviews im Normalfall nicht aufgezeichnet, da wir die Gesprächspartner nicht einschüchtern wollten. In diesem Themenfeld ist sich niemand sicher, wann Unterstützung oder auch die eigene Arbeit eigentlich illegal oder strafbar sind. Wir haben während der Interviews intensiv Notizen gemacht und das Gespräch anschließend mitsamt einigen Kernaussagen auf wenigen A4-Seiten zusammengefasst und zunächst den Interviewten zur Überarbeitung vorgelegt. Insbesondere bei den anschließenden Gesprächen mit einigen Betroffenen kam dabei wieder die Angst zum Vorschein und es wurde tw. so viel aus den Abschriften gestrichen, dass wir uns zu einer weitgehenden Anonymisierung, auch was den groben Wohn- und Tätigkeitsort, entschlossen. Viele Befragte, die als Arbeitgeber oder in der Verwaltung tätig waren, ließen es meist gar nicht zu einem Interview kommen, da sie befürchteten, dass ihre Identität mit einer Verschriftlichung nachvollziehbar würde. Dennoch lieferten uns die Gespräche mit ihnen wertvolle Informationen.